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Solang du Selbstgeworfnes fängst…

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Solang du Selbstgeworfnes fängst, ist alles
Geschicklichkeit und lässlicher Gewinn -;
erst wenn du plötzlich Fänger wirst des Balles,
den eine ewige Mit-Spielerin
dir zuwarf, deiner Mitte, in genau
gekonntem Schwung, in einem jener Bögen
aus Gottes großem Brücken-Bau:
erst dann ist Fangen-Können ein Vermögen, – 
nicht deiner, einer Welt. Und wenn du gar
zurückzuwerfen Kraft und Mut besäßest,
nein, wunderbarer: Mut und Kraft vergäßest
und schon geworfen hättest…(wie das Jahr
die Vögel wirft, die Wandervogelschwärme, 
die eine ältre einer jungen Wärme
hinüberschleudert über Meere -) erst
in diesem Wagnis spielst du gültig mit.
Erleichterst dir den Wurf nicht mehr; erschwerst
dir ihn nicht mehr. Aus deinen Händen tritt
das Meteor und rast in seine Räume…

Rainer Maria Rilke
Aus: Die Gedichte 1922 bis 1926 (Muzot, 31. Januar 1922)

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